In den vergangenen Tagen gab es Diskussionen über einen möglicherweise früheren Ausstieg von RWE aus der Braunkohle. Der Auslöser war ein Bericht der Süddeutschen Zeitung, der vom Unternehmen RWE innerhalb weniger Stunden dementiert wurde – aus unserer Sicht reflexhaft.
Seit der Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) durch die rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2000 und den Beschluss zum endgültigen Atomausstieg im Jahr 2011 haben sich die Rahmenbedingungen für die Stromversorgung verändert:
Die Erneuerbaren Energien machen einen immer größeren Anteil im deutschen Energiemix aus und lassen Kohlekraftwerke zunehmend unwirtschaftlich werden. Sonnen- und Windenergie, die zwei Säulen der Energiewende, produzieren heute schon im Jahresmittel ein Viertel des deutschen Stromes. Deshalb laufen Kohlekraftwerke immer seltener und benötigen daher auch weniger Brennstoff, also perspektivisch weniger Braunkohle.
Wir erwarten deshalb, dass RWE Klarheit für die Betroffenen schafft. Das Unternehmen muss ehrlich darlegen, wie der tatsächliche Bedarf für Braunkohle in den kommenden Jahrzehnten aussieht. Aus unserer Sicht wird er massiv sinken und könnte dadurch relevante Auswirkungen auf den Weiterbetrieb von Garzweiler II haben. Eine Anpassung der bisherigen Planungen an die Realität ist erforderlich. Aus unserer Sicht könnten dadurch fünf Dörfer und rund 3.200 Menschen vor der Umsiedlung bewahrt werden. Bisher gibt es für die fünf Orte Holzweiler, Kuckum, Beverath, Keyenberg und Unterwestrich noch keine konkrete Umsiedlungsplanung. Ihr Schicksal darf nicht von ökonomischem Kalkül abhängen. Das Unternehmen sollte die Umsiedlungen und die damit verbundenen erheblichen Kosten nicht weiter voranzutreiben. Denn RWE muss ohnehin ein erhebliches Einsparpotenzial erbringen, sowohl aus wirtschaftlichen als auch aus Klimaschutz-Gründen.
Diese Grafik veranschaulicht die Fördermengen für Braunkohle seit dem Jahr 2000 im Rheinischen Revier:
Quelle: BUND/ Statistik der Kohlewirtschaft e.V., RWE, DEBRIV
Für das Jahr 2012 als Beispiel lag die Fördermenge im Tagebau Hambach bei 42 Millionen Tonnen, in Garzweiler bei 39 Mio. Tonnen und in Inden bei 21 Mio. Tonnen. Bei einem voranschreitenden Ausbau der Erneuerbaren Energien werden wird diese Mengen klimaschädlicher Braunkohle nicht mehr brauchen.
Ein weiterer wichtiger Punkt in der Diskussion ist der Kraftwerkspark für Braunkohle mit den hier dargestellten Standorten, ihrer Laufzeit und Leistung, die in der unten stehenden Tabelle abgebildet sind:
Aus der Tabelle ist ersichtlich, dass es nur drei jüngere Kraftwerksblöcke gibt, die ein bzw. elf Jahre alt sind. Alle anderen Blöcke sind im Durchschnitt älter als 40 Jahre. Sie werden auf dem künftigen Energiemarkt nicht mehr rentabel sein. Deshalb werden nur die drei jüngeren Kraftwerksblöcke das künftige Rückgrat der Braunkohleverstromung im Revier sein. Gemäß ihrer Vertragslaufzeiten werden sie noch 30 bis 40 Jahre laufen, alle anderen nicht. Auch deshalb sinkt der Bedarf, und wird künftig durch den Tagebau Hambach gedeckt werden können.
Deshalb drängt die Frage, ob tatsächlich alle Umsiedlungen notwendig sind. Wir werden an diesem Sonntag erleben, wie in Immerath:
Am kommenden Sonntag, den 13. Oktober soll die Kirche von Immerath entweiht werden. Sie wird den Braunkohlebaggern zum Opfer fallen. Das Wahrzeichen von Immerath, 1888 entstanden, auch Dom genannt wird für immer verschwinden. Dieser Prozess ist nicht mehr aufzuhalten. In den nächsten Jahren wird es aber um die Umsiedlung weiterer Dörfer gehen: die Orte Holzweiler, Kuckum, Beverath, Keyenberg und Unterwestrich.
Schon im Koalitionsvertrag haben sich SPD und GRÜNE auf Folgendes verständigt:
„Gemeinsam mit dem Bergbau treibenden, Energie erzeugenden Unternehmen RWE Power wollen wir einen "Aktionsplan Rheinisches Revier" entwickeln, der in seiner Umsetzung folgenden Leitzielen folgen soll:
• Effizienzsteigerungen müssen – wie im Rahmenbetriebsplan Garzweiler II verbindlich festgelegt – dazu führen, Ressourcen zu schonen und die absoluten jährlichen CO2-Emissionen im rheinischen Revier kontinuierlich zu senken. Deshalb ist verbindlich zu vereinbaren, dass die Kohleförderung entsprechend der Effizienzgewinne schrittweise gesenkt wird. Auch deshalb sind neue Tagebaue nicht notwendig.
• Dem Revier droht Stillstand, sofern für die nächsten Jahrzehnte die Braunkohleförderung unverändert bliebe und diese Kohle überwiegend in Uralt-Blöcken verstromt würde. Weder die Klimaschutzziele wären zu erreichen, noch würde es eine gute Zukunft für die Menschen und ihre Arbeitsplätze im Revier geben. Deshalb müssen Effizienzsteigerungen im Kraftwerkspark bzw. Stilllegung von Altanlagen besonders in der Braunkohle mit den Klimaschutzzielen auf Bundes- und Landesebene sowie den im Klimaschutzplan festgelegten Maßnahmen in Einklang gebracht werden. Die Braunkohlegewinnung und - verstromung muss einen Beitrag zur CO2-Reduktion leisten, der ihren jährlichen Emissionen entspricht.
[…]
• Auch im Rheinischen Revier wird der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung zügig und kontinuierlich gesteigert.“ (Zeilen 2703 bis 2740)
In vielen Stellungnahmen wurde die Braunkohle von politischen Mitbewerbern und Wirtschaftsfachleuten als unverzichtbar für den Industriestandort NRW bezeichnet. Es ist ein erwartbarer Reflex, die Braunkohle politisch für unverzichtbar zu erklären, aber wir möchten daran erinnern, dass wir die gleiche Diskussion bei der Steinkohle geführt haben.
Auch der Unterausschuss Bergbausicherheit des Landtags wird sich auf unsere Initiative hin in seiner Sitzung am 18. Oktober um 10.30 Uhr mit diesem wichtigen Thema befassen.
Hintergrundlinks aus der Presse
Spiegelartikel: http://www.spiegel.de/wirtschaft/rwe-erwaegt-offenbar-aus-fuer-braunkohletagebau-garzweiler-a-926610.html
Süddeutsche Zeitung: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/braunkohletagebau-rwe-erwaegt-aus-fuer-garzweiler-1.1789420
Pressemeldung RWE: http://www.t-online.de/wirtschaft/energie/versorgerwechsel/id_65876438/rwe-weist-berichte-ueber-vorzeitiges-garzweiler-aus-zurueck.html
Die Zeit: http://www.zeit.de/2013/31/nrw-braunkohletagebau-dom
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