Braunkohle

Beschäftigte in der Braunkohle: Landesregierung würfelt Daten der Kohlelobby wild durcheinander

Als Argument gegen einen ambitionierten Zeitplan für den Ausstieg aus der Kohleverstromung in Deutschland werden von Vertretern der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen immer wieder die Arbeitsplätze ins Feld geführt, die durch einen Kohleausstieg bedroht seien. Die Antwort der Landesregierung auf meine Kleine Anfrage zeigt, dass sie sich auf die Auskünfte des Braunkohleverbands DEBRIV verlässt. Schlimm genug, doch die zitierten Quellen passen nicht einmal zu den Aussagen von Herrn Laschet und Herrn Pinkwart.

Für die Braunkohle werden seit Jahren unterschiedliche Beschäftigtenzahlen genannt und die Widersprüche kann die Landesregierung auch in ihrer Antwort auf meine Kleine Anfrage nicht ausräumen. 2015 sprach der damalige CDU-Fraktionschef Laschet noch davon, dass ein Kohleausstieg 70.000 Arbeitsplätze im Rheinischen Revier gefährde. In ihrer Antwort kann die Landesregierung jedoch nur eine Quelle nennen, die diesen Wert direkter, indirekter oder induzierter Beschäftigung durch die Braunkohle für ganz Deutschland ausweist. Der Verdacht einer bewussten Übertreibung lässt sich dadurch nicht entkräften. Auch die Aussage in der Plenardebatte am 20.12.2017 von Wirtschaftsminister Pinkwart, es gehe um 30.000 und mehr Mitarbeiter, die unmittelbar in der Braunkohle im Rheinischen Revier beschäftigt seien kann nicht belegt werden. Stattdessen werden auch hier Daten für ganz Deutschland als Quelle herangezogen, die zudem nicht auf die direkte Beschäftigung in der Braunkohle beziehen, sondern auch die indirekte und induzierte Beschäftigung beinhalten. Man wird den Eindruck nicht los, dass die Landesregierung in der Vergangenheit bewusst überhöhte Zahlen der Arbeitsplätze in der Braunkohle verwendet hat, um die Probleme durch eine schnellen Kohleausstieg größer erscheinen zu lassen, als sie tatsächlich sind.

Grundlegende Informationen liegen nicht vor

Diesen Verdacht legt auch eine aktuelle Ausschreibung des Wirtschaftsministeriums nahe (Vergabenummer 52/2018). In einem Gutachten sollen u.a. die Arbeitsplätze und die Wertschöpfung, die im Zusammenhang mit der Kohleverstromung stehen, erhoben werden. Dass offenbar grundlegende Informationen zu diesen Fragestellungen im Wirtschaftsministerium nicht vorliegen und auch durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums nicht erhoben werden können, erstaunt vor dem Hintergrund, da der Verlust der Arbeitsplätze in der Vergangenheit immer eines der Hauptargumente der Landesregierung gegen einen Kohleausstieg gewesen ist. Folglich müssen wir davon ausgehen, dass die Ablehnung des Kohleausstiegs der Landesregierung nicht faktenbasiert, sondern ideologisch motiviert ist.

Erhebungen der Landesregierung so angelegt, dass Zahlen künstlich aufgebläht werden

Überdies scheint die Leistungsbeschreibung zu der oben genannten Vergabe des MWIDE (Vergabenummer 52/2018) so verfasst zu sein, dass in den Ergebnissen die Auswirkungen eines möglichen Kohleausstiegs umfangreicher dargestellt sein werden, als es tatsächlich der Fall wäre. So soll in einem „Basisszenario“ davon ausgegangen werden, dass alle Arbeitsplätze in den entsprechenden Bereichen unmittelbar wegfallen. Eine absurde Vorstellung hält man sich nur die Rückbau- und Tagebaufolgeverpflichtungen der Betreiberin vor Augen. Auch die Annahme der Rahmenbetriebspläne als „Basisszenario“ ist unrealistisch, da durch die Sicherheitsbereitschaft bereits heute weniger Braunkohle verfeuert wird, als in diesem Szenario angenommen wurde.

Auch ist nicht ersichtlich, inwiefern aktuelle marktliche Entwicklungen, die zu einer Reduzierung der Stromerzeugung aus Steinkohle führen, als „Sowieso-Entwicklungen“ berücksichtigt werden. Nach Daten des Vereins der Kohleimporteure wurde in 2017 17% weniger Steinkohle verfeuert als im Jahr zuvor. Auch für 2018 geht der Verband von einem Rückgang der Kohleverstromung von 20% aus. Daraus resultierende Umsatzeinbußen bei den Betreibern der Kraftwerke dürfen nicht dem Kohleausstieg angelastet werden, sondern sind Teil der unternehmerischen Risiken auf dem Energiemarkt.

Die Landesregierung schickt tausende Polizisten in den Hambacher Wald, um den Fortgang der Braunkohleverfeuerung durchzusetzen und riskiert dabei den gesellschaftlichen Frieden in NRW. Eines ihrer Hauptargumente, die Arbeitsplätze, kann sie aber nicht ansatzweise verifizieren: Sie hat keine nachprüfbare Zahlen wie viele Arbeitsplätze überhaupt an der Braunkohle hängen, sondern vertraut auf die Daten des Branchenverbands. Ein Armutszeugnis für eine Landesregierung, die offensichtlich wirtschaftspolitisch nichts anderes kennt als Braunkohle und dann nicht mal weiß, worüber sie genau redet.

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