Am vergangenen Wochenende ist viel passiert im Energiebereich. Zuerst stellte Johannes Remmel, Klimaschutzminister aus NRW, am Freitag in Berlin stellvertretend für sieben Fachministerinnen und Fachminister ihre Ideen für eine Energiewendeagenda 2020 vor und machte der Bundesregierung ein Gesprächsangebot, um gemeinsam die Energiewende im Bund und in den Ländern voranzubringen. Am folgenden Samstag legte dann Bundesminister Gabriel sein Eckpunktepapier zur EEG-Reform vor.
GRÜNES Ministerpapier: Energiewendeagenda 2020
Entlang der Prinzipien Klimaschutz, Investitionssicherheit für Erneuerbare Energien und einer gerecht finanzierten Energiewende in Bürgerhand haben die grünen Energieminister aus den Ländern, der Bundesvorstand und die Bundestagsfraktion den grünen Vorschlag zur Reform des EEG und des Strommarktdesigns „Energiewendeagenda 2020“ erarbeitet. Wesentliche Punkte darin sind:
Erneuerbare Energien verändern das System: Mit der anstehenden Reform des EEG endet die Phase der Systemeinführung (0-25% EE-Stromanteil), in der die neuen Technologien entwickelt wurden und bei denen es vor allem bei Photovoltaik und Windenergie steile Lernkurven gegeben hat.
Wir treten hiermit in die Phase der Systemdurchdringung (25-50% EE-Stromanteil) ein. Der Zubau der Erneuerbaren Energien wird immer mehr fossile Strukturen überflüssig machen und verdrängen. In dieser nun anstehenden Phase ist das EEG als Finanzierungsinstrument zum weiteren Ausbau auch in den kommenden Jahren notwendig, was nicht ausschließt, dass es beispielsweise hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung z.B. bei den Vergütungssätzen weiter angepasst werden muss.
Die dritte Phase der Energiewende, in die wir zu Beginn der 2020er Jahre eintreten werden, ist die Phase der Systembeherrschung (50-75% EE-Stromanteil). In ihr werden das Stromsystem, das Marktdesign und der Rechtsrahmen voll an den erneuerbaren Energien ausgerichtet und durch sie bestimmt sein. Ein wachsender Markt der erneuerbaren Energien strukturiert so den gesamten Markt neu.
Die „letzte Meile“ (75-100% EE-Stromanteil) ist technologisch besonders anspruchsvoll, weil sie den massiven Einsatz von Lastmanagement, Intelligenten Netzen (Smart Grids) und dann marktreifen Speichern erfordert und eng mit dem Wärme- und Mobilitätssektor verzahnt sein wird.
Klimaschutz und Emissionshandel: Wir wollen konkrete Maßnahmen, um die klimaschädliche Kohlekraft zurückzudrängen. Der Emissionshandel ist wichtig und muss novelliert werden. Das allein wird aber nicht ausreichen. Mindestwirkungsgrade und Emissionsgrenzen müssen ergänzend eingeführt werden.
Preissteuerung statt Ausbaudeckel: Das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) muss mit dem Prinzip einer festen Einspeisevergütung erhalten bleiben, die Vergütungshöhe jedoch überprüft werden. Wir wollen keinen Ausbaudeckel, sondern eine Preissteuerung. Das heißt, vor allem Solar- und Windkraft an Land sollen im ganzen Land weiter ausgebaut werden. Damit würde auch der entscheidende Grundpfeiler für die Sicherung der BürgerInnen-Investitionen erhalten.
Reduzierung der Industriebefreiungen: Wir schlagen einen EU-konformen Weg vor, die überzogenen Industrieprivilegien auf stromintensive Unternehmen im internationalen Wettbewerb einzuschränken. Die EU selbst hat eine Liste von Branchen benannt, die im internationalen Wettbewerb durch höhere Strompreise benachteiligt würde. Entlang dieser Strompreiskompensationsrichtlinien-Regelung sollte auch im deutschen EEG entschieden werden, wer künftig noch bei der EEG-Umlage begünstigt wird.
Ökologischer Flexibilitätsmarkt sorgt für Versorgungssicherheit: Ein ökologischer Flexibilitätsmarkt mit regional ausgerichtetem Kapazitätsmechanismus kann notwendig werden, um den Neubau von flexiblen und hochmodernen Gaskraftwerken, abschaltbaren Lasten, Speichern und verstetigten Erneuerbaren anzureizen. Einen wie von der Bundesregierung geforderten „technologieoffenen“ Kapazitätsmarkt, der auch klimaschädliche Kohlekraftwerke beinhaltet, lehnen wir ab.
Weitere Informationen und den Link zur Energiewendeagenda 2020 sind auf der Website von Oliver Krischer zu finden: www.oliver-krischer.eu
Eckpunktepapier von Energieminister Gabriel
Bundesenergieminister Gabriel macht durch das von ihm vorgelegte Eckpunktepapier deutlich, wie er sich den Weg der Energiewende vorstellt. Mit einem gesetzlichen Ausbaudeckel für die Erneuerbaren Energien und freie Fahrt für klimaschädliche Kohlekraftwerke will er angeblich die Kosten der Energiewende senken und sie gleichzeitig vorantreiben. Stattdessen bremst er den Ausbau der Erneuerbaren Energien, gefährdet Bürgerenergieprojekte, verunsichert Investoren und vergisst als ehemaliger Bundesumweltminister den Klimaschutz. Seitdem das Eckpunktepapier vorliegt hagelt es Kritik von allen Seiten- von der Nordsee bis in den Süden. Sein SPD-Kollege Ministerpräsident Albig bezeichnete das Eckpunktepapier gar als „volkswirtschaftlich unsinnig“. Das Eckpunktepapier von Gabriel ist hier zu finden.
Die wichtigsten Kritikpunkte aus GRÜNER Sicht:
Verbindliche Direktvermarktung ab 2015 – Angriff auf die Energiewende aus Bürgerhand
Das Eckpunktepapier sieht die verpflichtende Direktvermarktung von Neuanlagen ab einer Leistung von 500 kW ab 2015, ab einer Leistung von 250 kW ab 2016 und ab einer Leistung von 100 kW ab 2017 vor. Eine verpflichtende Direktvermarktung bedeutet, dass die Anlagenbetreiber verpflichtet sind, den Strom auf dem Strommarkt selbständig zu verkaufen.
Die Direktvermarktung bietet für einige Projekte im Bereich Windenergie sicherlich an einigen Stellen die Chance, neue Geschäftsmodelle zu etablieren, ob dabei der Anteil der BürgerInnen-Windprojekte jedoch so hoch wie aktuell bleibt, ist mehr als fraglich. Denn eine verpflichtende Direktvermarktung wäre damit verbunden, dass jeder Betreiber einer Erneuerbaren-Energien-Anlage oberhalb der von Minister Gabriel vorgesehenen Grenze seinen gesamten Strom über die Börse oder über einen Zwischenhändler vermarkten müsste. Dies wäre eine extrem hohe Hürde, die neue und vor allem kleinere Anlagen drastisch behindern, wenn nicht gar unmöglich machen, und somit die Dynamik der Energiewende in Bürgerhand aushebeln würde.
Denn besonders die Bürgerprojekte haben die Energiewende so erfolgreich gemacht, wie sie heute ist. So sind 47% der installierten Erneuerbaren-Energien-Leistung in Bürgerhand. Sie sind jedoch oft nicht dafür ausgelegt, ihren Strom direkt zu vermarkten. Denn besonders bei kleineren Anlagen ist der Aufwand der Vermarktung im Verhältnis zur Anlagengröße verhältnismäßig groß und durch einzelne Bürgerinnen und Bürger oder einzelne kleine Genossenschaften nur schwer zu leisten.
Kostenbegrenzung durch das Ausbremsen der billigsten Erneuerbaren Energien
In der Phase der Systemeinführung, die wir nun mit einem Anteil von 25 Prozent Erneuerbarem Strom im Energiemix abschließen, wurden neue Technologien entwickelt, die zu Anfang teurer waren, aber auch eine so steile Lernkurve hatten, dass die erneuerbaren Energien heute Strom zu Preisen unter den tatsächlichen Erzeugungskosten von neuen fossilen Kraftwerken oder Atomkraftwerken produzieren können. So machen die vor 2012 installierten Erneuerbaren-Energien-Anlagen den Löwenanteil der Kosten aus, 87 Prozent der Photovoltaikkosten entfallen beispielsweise auf diesen Zeitraum und sind klar den Versäumnissen der schwarz-gelben Koalition zuzuschreiben. Den Ausbau der Erneuerbaren Energien, insbesondere Wind an Land und Photovoltaik, nun an einem Punkt zu deckeln, an dem sie günstigen Strom erzeugen und gleichzeitig die doppelt so teure Offshore-Windenergie massiv auszuweiten, entbehrt jeglicher volkswirtschaftlichen Logik.
Deckel für Windenergie an Land – Das Sägen an einer tragenden Säule der Energiewende
Minister Gabriel gefährdet mit dem „atmenden Deckel“ für Windenergie und der Regelung zum Bestandsschutz, bei der lediglich Anlagen, die bis 22.01.2014 – also 5 Tage nach der Veröffentlichung seines Papiers eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung hatten, Bestandsschutz genießen, Investitionen in Windenergie an Land. Damit sabotiert er ausgerechnet eine der tragenden Säulen der Energiewende und den Ausbau des aktuell günstigsten Erneuerbare Energieträgers. Gerade bei der Windkraft macht die Deckelung für den weiteren Ausbau sowie eine so kurze Regelung zum Bestandsschutz keinen Sinn, weil Windenergieprojekte langfristig, über Jahre geplant werden. Deshalb lösen die Vorschläge von Minister Gabriel eine große Verunsicherung für alle laufenden Planungen aus. Alleine in NRW stehen Investitionen von mindestens einer Milliarde Euro auf dem Spiel.
Gerade bei der Windenergie hat NRW noch viel Potenzial, das wir ausschöpfen wollen. Die Landesregierung will bis 2020 den Anteil der Windenergie an der Stromversorgung in NRW auf 15 Prozent steigern. Dieses Ziel ist realistisch und die Bemühungen der letzten Jahre durch rot-grün und besonders durch Klimaschutz-Minister Johannes Remmel zeigen nun endlich Früchte. Die Pläne von Bundesminister Gabriel gefährden diese Ziele und die Fortsetzung der Erfolge der letzten Jahre.
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