Wer beobachtet, wie sich der Ministerpräsident in jüngster Zeit windet, wenn es um die Themen Atomkraft, Tihange und Urananreicherung in NRW geht, der sieht: Fakten scheinen für den Ministerpräsidenten in atompolitischen Debatten nicht wirklich eine Rolle zu spielen. Rhetorisch tritt als entschiedener Atomkraftgegner auf, will aber nicht, dass Deutschland mit der Schließung der Urananreicherungsanlage in Gronau den kompletten Atomausstieg vollzieht. Nach seiner Logik muss man im Kampf gegen die atomare Bedrohung in der Welt damit leben, dass die atomare Bedrohung vor der eigenen Haustür Bestandsschutz bekommt. Diese Behauptung ist einfach nur haarsträubend. Der Ministerpräsident sollte dringend erklären, wie er zu dieser kruden Auffassung kommt.
Am 1. März führte Ministerpräsident Laschet im Landtag aus, dass der Koalitionsvertrag der neuen großen Koalition in Berlin ermögliche, Uran-Lieferungen aus Deutschland nach Belgien künftig zu unterlassen. Wenn die Anlagen in Gronau und Lingen allerdings geschlossen würden, werde Deutschland mit einem Komplettausstieg aus der Atomkraft auch kein Mitglied der Internationalen Atomenergiebehörde sein und könne sich in der Folge nicht mehr an den Atomgesprächen mit Iran beteiligen. Damit würde Deutschland international an Einfluss verlieren. Wörtlich sagte der Ministerpräsident: „Wenn wir Gronau schließen, wenn wir Lingen schließen, dann bedeutet das, dass sich Deutschland aus diesem Feld der Produktion verabschiedet. Wir sind dann nicht mehr Mitglied der Internationalen Atomenergiebehörde. Wir wären dann nicht an den Atomenergiegesprächen und den Friedensgesprächen mit dem Iran beteiligt gewesen. […] Damit würden wir den Einfluss Deutschlands preisgeben. […] Wenn Deutschland nicht mehr Kernelemente produziert und aussteigt, kann man nicht mehr Mitglied der Internationalen Atomenergiebehörde sein. Gronau wird deshalb bleiben, und nach Tihange wird nicht mehr geliefert.“
Die Aussagen des Ministerpräsidenten überraschen, da beispielsweise Österreich bereits seit 1978 aus der kommerziellen Atomkraft ausgestiegen ist. Trotzdem ist das Land weiterhin Mitglied der Internationalen Atomenergie Organisation (IAEA) und gilt auch international als gewichtige Stimme im internationalen Atomkraft-Diskurs. Die Beteiligung Deutschlands an den 5+1-Gesprächen mit Iran geht ebenfalls nicht auf die Mitgliedschaft der IAEA zurück sondern auf die Initiative des damaligen Außenministers Joschka Fischer. Er hat seine Amtskollegen aus Frankreich und Großbritannien 2003 erstmalig von Gesprächen mit Iran überzeugt. Auch die engen Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Iran waren einer der Hintergründe.
Gemeinsam mit meiner Fraktionskollegin Monika Düker stelle ich daher die Kleine Anfrage Warum verweigert Ministerpräsident Laschet den vollständigen Atomausstieg in Deutschland mit fadenscheinigen Argumenten?
Die Antwort der Landesregierung liegt vor - und ist ausweichend, nichtssagend und bestätigt einmal mehr die Untätigkeit der Landesregierung in Sachen Atomausstieg. Allenfalls zu dem müden und unverbindlichen Versprechen, dass die Landesregierung sich beim Bund für eine Beendigung der Lieferung an die belgischen Bröckelreaktoren einsetzen wird, kann man sich durchringen und dazu, dass die Landesregierung "diesen Prozess weiterhin eng begleiten" wird.
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