Atomausstieg

Bundeskommission legt Kompromiss zur Finanzierung des Atomausstieges vor

Die Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs (KFK) hat sich unter Leitung von Jürgen Trittin auf einen Kompromiss zur Finanzierung des Atomausstiegs geeinigt. Die Betreiber haben mit den AKW viele Jahre lang Milliarden verdient und Atomausstieg und Energiewende fortwährend blockiert. So haben sie es verpasst, sich rechtzeitig auf die neuen Energiemärkte einzustellen. Die Chance mit Erneuerbaren Energien Geld zu verdienen wurde lange bewusst ausgeschlagen. Angesichts der Situation auf dem europäischen Strommarkt und den Gewinneinbrüchen geht es darum zu verhindern, dass die Kosten des Atomausstiegs sozialisiert werden und das Verursacherprinzip ausgehebelt wird.

Ob der von der Kommission einstimmig gefundene Kompromiss trägt, hängt jetzt von der Bundesregierung ab. Mit diesem Kommunalinfo wollen wir Euch die wichtigsten Fragen zum vorgelegten Konzept der Kommission beantworten:

Wie teuer wird der Atomausstieg? Und wie viele Mittel stellen die Konzerne bereit?

Die Kosten der Atommüllentsorgung, die für Rückbau, Verpackung, Zwischenlagerung und Endlagerung der Hinterlassenschaften des Atomzeitalters anfallen, müssen die Betreiber der Atomkraftwerke tragen. Sie sind gesetzlich verpflichtet, dafür ausreichend Rückstellungen zu bilden. Die vier Atomunternehmen E.on, RWE, EnBW und Vattenfall haben 38,3 Milliarden Euro zurückgestellt – für Kosten, die bei einem Preisniveau des Jahres 2014 auf insgesamt 47,7 Milliarden Euro geschätzt werden.

Warum ist es so wichtig, dass jetzt feste Vereinbarungen getroffen werden?

Die Strategie der Unternehmen, die Energiewende zu blockieren, war falsch. Niedrige Börsenstrompreise und das Überangebot auf dem europäischen Strommarkt haben sie massiv Marktanteile gekostet. Die Gewinne brachen ebenso wie die Aktienkurse ein. Die Unternehmen wurden in der Folge von den Ratingagenturen herabgestuft und erhalten nur noch Kredite zu schlechten Konditionen. Die Krise der Betreiber bringt die Rückstellungen in ernste Gefahr. Dies sind Verbindlichkeiten, die in der Bilanz stehen, aber deren Gegenwert nicht in liquiden Mitteln vorgehalten werden muss. Staat und Gesellschaft müssen befürchten, dass die Kosten für die Atommüllentsorgung nicht mehr von den Verursacher*innen getragen, sondern zumindest teilweise auf die Steuerzahler*innen abgewälzt werden. Heute ist es alles andere als gewiss, ob und in welcher Form die vier Atomkonzerne im Jahr 2050 (geplante Öffnung eines Endlagers) noch existieren. Und es ist fraglich, ob nicht zuvor durch Umstrukturierungen, Abspaltungen und Ausschüttungen die Haftungsmasse so gemindert wird, dass es nicht zum Teil- oder zum Totalausfall kommt. Deshalb hat die Bundesregierung eine Kommission, die KFK, eingesetzt. Die Kommission soll einen Weg finden, die Mittel zu sichern, die für die Entsorgung des Atommülls zurückgestellt wurden. Das sind Summen, die von den Verbraucher*innen über ihre Stromrechnungen schon einmal bezahlt wurden und von den AKW-Betreibern für die Atommüllendlagerung eingeplant werden müssen.

Wie sieht der vorgeschlagene Kompromiss genau aus?

Die Ergebnisse, die die Kommission jetzt erzielt hat, sind ein Kompromiss, der weiten Teilen Grüner Forderungen im Grundsatz Rechnung trägt. Mit dem Einrichten eines öffentlich-rechtlichen Fonds greift die Kommission eine Grüne Forderung auf und schlägt der Bundesregierung vor, diese endlich in die Realität umzusetzen.

Die nun veranschlagte Summe von rund 23 Milliarden Euro setzt sich wie folgt zusammen:

  1. Für die Zwischenlagerung, Herstellung von Endlagergebinden der Abfälle aus der Wiederaufarbeitung sowie den Transport aus den Zwischenlagern zum Endlager sind finanzielle Mittel von 4,7 Milliarden Euro plus Risikozuschlag vorgesehen.
  2. Für Auswahl, Bau, Betrieb und Stilllegung der nuklearen Endlager veranschlagt die Kommission 12,5 Milliarden Euro zuzüglich eines Risikozuschlags.

Übertragen werden sollen demnach 17,2 Milliarden Euro. Der jeweilige Risikozuschlag in Höhe von rund 35 Prozent addiert sich auf rund 6 Milliarden Euro und damit im Ergebnis auf 23,3 Milliarden Euro.

Die Sicherung von über 23 Milliarden Euro für die Zwischen- und Endlagerung des Atommülls minimiert das befürchtete Ausfallrisiko massiv – auch wenn nicht in dem Umfang, den wir GRÜNE für notwendig erachten. Mehr war den maroden Atomkonzernen nicht abzuringen. Entscheidend ist, dass der Fonds mit dieser Summe vermutlich ein Betrag erwirtschaften kann, der den heute bekannten Kosten für die Zwischen- und Endlagerung entspricht (insgesamt ca. 47 Mrd. Euro, s.o.).

Wie ist der Kompromiss aus Grüner Sicht zu bewerten?

Es ist ein schwieriger Kompromiss, der unserer Ansicht nach an der unteren Grenze des Erforderlichen liegt. Immerhin jedoch wurde den Konzernen abgetrotzt, dass sie eine notwendige solide Grundlage für die anfallenden Kosten aus ihren Mitteln schaffen müssen. Damit kann dem Verursacherprinzip besser Rechnung getragen werden als mit einer Nachhaftungspflicht, die aber in der Realität durch das Risiko einer Insolvenz der Unternehmen oder der Verkleinerung der Haftungsmasse durch Konzernumstrukturierungen ins Leere greifen kann. Der Übergang der Verantwortung für das Betreiben der Zwischenlager (bei gleichzeitigem Übergang der dafür notwendigen Finanzmittel) an den Staat trägt zu einer klareren Aufgabenteilung zwischen Unternehmen und öffentlicher Hand bei. Eventuelle langwierige Gerichtsverfahren über Standards für die Zwischenlagerung gehören damit der Vergangenheit an. Positiv ist auch, dass die Rückstellungen der Unternehmen für den Rückbau der AKWs und Verpackung des Atommülls in Zukunft transparenter und überprüfbarer zurückgestellt werden müssen. Damit wird Bilanzierungstricks ein Riegel vorgeschoben.

Die Forderung nach dem Fallenlassen der Klagen der Unternehmen gegen Bund und Länder in Fragen der End- und Zwischenlager ist für uns zwingend. Es kommt jetzt darauf an, dass die Unternehmen diese Forderung auch wirklich umsetzen. Ansonsten wäre ein Konsens undenkbar.

Ebenso halten wir die Forderung der Kommission für zwingend nötig, das Konzernnachhaftungsgesetz so umzusetzen, dass das Prinzip „Mütter haften für ihre Kinder und Kinder bleiben ihren Müttern verpflichtet“ auch wirklich realisiert wird. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass sich Unternehmen wie E.on und RWE durch die geplanten Neustrukturierungen aus der Haftung stehlen. Hier ist höchste Eile geboten, weil die Neustrukturierungen in Kürze wirksam werden.

Welche Fragen sind noch ungeklärt?

Wir sehen aber auch weiterhin Risiken. So ist nicht völlig gesichert, dass die in Zukunft noch entstehenden Kostensteigerungen durch eine sichere Anlagestrategie des öffentlich-rechtlichen Fonds adäquat abgedeckt werden können. Im aktuellen Niedrigzins-Umfeld wird eine entsprechende Rendite schwierig zu erwirtschaften sein. Insbesondere wenn – so die Forderung der Kommission – der Fonds breit gefächert investieren soll, um eine Häufung von Ausfallrisiken zu vermeiden.

Wie geht es weiter?

Die Bundesregierung ist jetzt gefordert, rasch die erforderlichen Gesetzesänderungen und rechtlichen Grundlagen 1:1 entsprechend der Kommissionsempfehlung vorzubereiten und einer breiten Öffentlichkeitsbeteiligung zu unterziehen, bevor der Bundestag darüber beschließt.

Aus NRW-Sicht muss aber in diesem Zusammenhang auch sichergestellt werden, dass RWE weiterhin seinen Verpflichtungen zur Rekultivierung im Rheinischen Braunkohle-Revier nachkommen kann. Auch hier wurden Rückstellungen gebildet, unter anderem für die Restseen. Zudem gibt es Stimmen, die auch hier von Ewigkeitslasten ausgehen, die finanziert werden müssen. Auch hier darf sich der Konzern nicht aus der Verantwortung stehlen, auch hier gilt das Verursacherprinzip.

Weitere Details sind dem Bericht der Kommission und der Zusammenfassung zu entnehmen.

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